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INFORMATION - Ein oeffentliches Gut ?

                         Guenter Ropohl

Tausende und Abertausende von Fernsehteilnehmern muessen sich 
allabendlich darueber aergern, dass die Filmbilder mit 
eingeblendeten Senderkennzeichnungen, den Logogrammen, 
verunstaltet werden. Der ausschlaggebende Grund dafuer: Die
Sender wollen den Video-Piraten das Handwerk legen, Raubkopien 
illegal zu vermarkten.

Solche Perversion des Urheberschutzes, die den Teufel mit 
Beelzebub austreiben will - indem sie die zu schuezenden Werke
ihrerseits optisch-aesthetisch beschaedigt -, ist freilich nur das
auffaelligste Symptom einer sehr grundlegenden Problematik, die
sich aus dem Missverhaeltnis zwischen technischer Entwicklung und
gesellschaftlicher Rechtsordnung ergibt.

Solange die Reproduktion von Informationstraegern technisch und
wirtschaftlich hinreichend aufwendig war, konnten die 
Urheberrechte an der Information mit den stofflichen 
Informationstraegern verknuepft und auf diese Weise an das 
Sachenrecht gebunden werden: Wer ein Buch, eine Schallplatte 
oder eine Filmkopie erwarb, hatte mit dem Kaufpreis zugleich die 
Urheberansprueche zu entgelten; sonst erhielt er keine
Verfuegungsm|glichkeit ueber die betreffende Information.

Seit Mitte des Jahrhunderts jedoch hat die Informationstechnik 
mit neuen Fotokopierverfahren und den magnetischen 
Speichermedien immense Fortschritte in der Reproduzierbarkeit 
von Information gemacht, so dass nun jeder mit geringem Aufwand
Druckwerke, Tonwerke und Filme duplizieren kann. Selbst
zwischenzeitliche Qualitaetsminderungen bei Kopien gehoeren bald
der Vergangenheit an; digitale Kopien digitaler Orginale 
erweisen sich als identische Replikate.

Damit aber hat die informationstechnische Entwicklung dem 
traditionellen Urheberrecht den Boden entzogen. Angesichts der 
ubiquitaeren Reproduzierbarkeit von Information lassen sich
Urheberansprueche, die an die Anzahl realisierter
Informationstraeger geknuepft werden, faktisch, da nicht
kontrollierbar, auch nicht mehr durchsetzen. Alle Versuche, die 
beliebige Verfielfaeltigung von Information mit rechtlichen,
organisatorischen oder gar technischen Mitteln zu verhindern - 
Strafverfolgung von Raubkopierern, Senderkennungen bei 
Fernsehausstrahlungen, Aufnahmesperren bei digitalen 
Tonkassetten-Geraeten usw. - sind, genau betrachtet, verzweifelte
Rueckzugsgefechte an einer unhaltbar gewordenen Rechtsposition,
die Eigentumsrechte an einem immateriellen, beliebig 
reproduzierbaren Gut verteidigen will.

Das haette man schon vor 30 Jahren begreifen koennen, als sich die
Spulentonband-Geraete zu verbreiten begannen und als ein
Interessenverband zum Schutz musikalischer Auffuehrungsrechte
noch ernsthaft Schnueffler in die Wohnungen ausschwaermen lassen
wollte, um jeden privaten Mitschnitt von Rundfunksendungen oder 
Schallplatten mit Tantiemen belegen zu koennen. Man fand
schliesslich eine Kompromissloesung darin, dass bereits die
Hersteller eine Pauschale je Geraet bzw. je Tontraeger abzufuehren
haben - ein Modell, dass spaeter auch auf andere
Reproduktionstechniken angewandt wurde.
Und vor fast zwei Jahrzehnten schon hatte der Nestor der 
bundesdeutschen Technikphilosophie Hans Sachsse das Problem auf 
den Begriff gebracht: Unsere klassische, an der 
Substanzkategorie orientierte, rechtliche und moralische 
Vorstellung von Eigentum sei auf Information nicht mehr ohne 
weiteres anwendbar. Die Frage, ob Information vielleicht eher 
als oeffentliches Gut zu betrachten waere, wirft Sachsse wohl auf,
ohne freilich, wie er einraeumt, eine fertige Antwort dafuer zu
haben.

Nach wie vor aber ist unsere Gesellschaft gegenueber dieser
Frage, theoretisch wie praktisch hilflos geblieben. Seit einem 
halben Jahrhundert entwickeln wir neue Informationstechniken, 
die Teile unserer Rechtsordnung sprengen, doch wir ueberlassen es
immer noch hemdsaermeliger Flickschusterei, mit diesen
Technikfolgen fertig zu werden. Konsequenterweise haette man von
Anfang an die neuen Techniken der Informationsreproduktion 
verhindern muessen, wenn man das herkoemmliche Urheberrecht
bewahren wollte; oder man haette sich gleich darueber klar sein
muessen, dass die Zulassung dieser Techniken eine voellig neue
Rechtsgrundlage erfordert.

Es ist dies ein Paradebeispiel dafuer, wie wenig bislang ueber die
gesellschaftsveraendernde Kraft neuer Techniken nachgedacht
wurde. Eine vorausschauende Technikbewertung haette laengst die
Vor- und Nachteile dieser Informationstechniken aufdecken und 
Loesungen vorschlagen k|nnen.

Damit kein Missverstaendnis aufkommt: Im vorliegenden Fall scheint
mir der Nutzen der neuen Techniken fuer das Gros der Menschen
ueber jeden Zweifel erhaben. Nachteile entstehen nur fuer die
Produzenten von Information, soweit ihre oekonomische Existenz
von der Vermarktung stofflicher Informationstraeger abhaengt.

Es ist ja wohl ueberhaupt erst eine Erfindung der buergerlichen
Gesellschaft gewesen, Information zur Ware zu machen, und die 
morderne Informationstechnik der "nachbuergerlichen" Gesellschaft
entlarvt dies als oekonomistische Fiktion. Wenn aber die
Vervielfaeltigungstechniken Information faktisch zu einem
oeffentlichen Gut gemacht haben, muss man auch entsprechende
Modelle entwickeln, wie man Leistung der Informationsproduzenten 
verguetet.

Wenn man die neuen Techniken wirklich will, darf man sie 
jedenfalls nicht mit einem antiquierten Urheberrecht sabotieren 
- wie das heute eine Mafia von Informationsagenturen 
(Fernsehanstalten, Plattenfirmen usw.) tut, die, vorgeblich im 
Interesse der Urheber und in Wirklichkeit aus eigenem Interesse, 
die Verfuegbarkeit von Information entgegen dem Stand der Technik
erschwert oder gar die Information selbst entstellt.

Vielmehr muessen Politiker und Juristen die gleiche
Erfindungskraft fuer die gesellschaftlichen Verhaeltnisse
entfalten, mit der die Ingenieure die gesellschaftsveraendernden
technischen Realitaeten geschaffen haben. Und dies sollten sie
bei jeder neuen Entwicklung von Anfang an gemeinsam tun, damit 
nicht immer wieder neue Missverhaeltnisse zwischen Technik und
Gesellschaft aufreissen.

Nachsatz:
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an die VG-Wort zu zahlen", heisst es im Impressum.

Bin ich froh, dass wir nicht gewerblich sind. *grins*

Quelle: MBK1: CCC-PRESSE, VDI-Nachrichten
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